WANDERGITARREN
1. F. STOPPEL, Wangen
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ca. 1920
Im Zeitgeist der Wandervogel-Bewegung und der Hinwendung zur Natur im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts wurde die Gitarre (wie auch die Gitarren-Laute) in unseren Landen sehr populär (vgl. auch im Angelsächsischen die sog. Parlor-Gitarren). Im Vergleich zur aufwendig gebauten klassischen/spanischen Gitarre (vgl. A.GONZALES) zeigt sie eigene Charakteristika: kleine Bauform, einfachere und robuste Bauweise mit Leiter-Verbalkung der Decke, schmaleres Griffbrett (um leichter Akkorde greifen zu können), und vor allem einen günstigen Preis! Das deutsche Produktionszentrum lag in Markneukirchen; dort wurde wohl auch diese Gitarre mit dem Label des Instrumenten-Händlers F. Stoppel, Wangen im Allgäu gebaut. Die mit reichlich Holzstreifen-Intarsien um die massive Fichtendecke (Boden und Zargen aus massivem Ahorn) stellt schon fast eine Luxus-Ausführung dar. Ich habe diese Gitarre aus erster Hand (genau genommen nur leihweise), nämlich vom verstorbenen Gärtnermeister Ruth (dem Großvater meiner Frau, weshalb es genau genommen ihre Gitarre ist!) aus Wangen, wo er diese Gitarre einst gekauft und bis ins hohe Alter auch gespielt hat. Leider scheint sie ihm dabei (wenigstens!) einmal runter gefallen zu sein, denn es gab eine Menge daran zu reparieren. Doch der Original-Charakter blieb erhalten. – Beim Spielen ist diese Gitarre (wie die allermeisten Wandergitarren) nicht gerade eine Offenbarung; entsprechend ihrer definierten Aufgabe ist sie vor allem klein, leicht und zur Akkord-Begleitung von Liedern gebaut. Unter entsprechenden Bedingungen (abends am Lagerfeuer, oder mit der Holden unterm Apfelbaum, oder am Brunnen vor dem Tore....) mag sie schon ihre Reize entfaltet haben!
2./3. CH. REISSER, Ulm
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ca. 1925
Diese zwei Gitarren sind wie (zwei-eiige) Zwillingsschwestern, und ich bekam sie als solche im Doppel-Pack. Sie wurden mit größter Wahrscheinlichkeit ebenfalls in Markneukirchen gebaut, dem Zentrum volkstümlichen Instrumentenbaus jener Zeit, als die Wandervogel-Bewegung wogte. Beide zeigen exakt dieselben Maße, Proportionen und Konstruktion (massive Fichten-Decke mit Leiter-Verbalkung, Brücke mit Stöpseln, Ahornhals mit Palisander-Griffbrett), unterscheiden sich allerdings in der Ausführung: die eine hat einen Ahorn-Korpus (massiv) mit schmalen Schalloch- und Randeinlagen, sowie schwarzen Stimm-Knöpfen, und die andere hat einen Kirschbaum-Korpus (massiv) mit etwas breiteren Einlagen, sowie weißen Stimm-Knöpfen. In ihr klebt auch noch das Original-Label des Musikhaus Christian Reisser, Ulm. Entsprechend ihrer Bauweise können Nylon- oder (dünne) Stahl-Saiten aufgezogen werden. Klanglich sind in keinem Fall Wunder zu erwarten, dafür sind die Gitarren hübsch, klein und leicht – einfach ideal zum Wandern! Regenfest wie spätere Nachkriegs-Modelle aus Sperrholz sind sie allerdings nicht. Beide befinden sich in ausgezeichnetem Original-Zustand.