WASHBURN ´New Model` Style 305 · ca. 1890

Nach dem Ende des Bürgerkriegs in den USA 1866 wuchs langsam der Lebensstandard, und damit auch die freie Zeit z.B. zum Musizieren Daraus resultierte eine wachsende Nachfrage für Musik-Instrumente. Die weitaus meisten wurden damals noch aus Europa importiert. Ende des 19. Jahrhunderts war Chicago die Metropole des Instrumenten-Handels, und das war bereits ´Big Business`! Gitarren spielten dabei zunächst noch eine untergeordnete Rolle. Die einheimischen Instrumentenbauer wie C.F.MARTIN (mit Gitarren) und O.GIBSON (mit Mandolinen) konnten dennoch nur einen winzigen Teil dieses Marktes abdecken: MARTIN fabrizierte bis zum 1. Weltkrieg nur etwa ein (!) Instrument pro Tag im Durchschnitt, und die GIBSON-Company war zeitweise nahe am Bankrott. – LYON & HEALY dagegen machten schon bald nach ihrer Firmen-Gründung offenbar das große Geschäft: "The world`s largest music house" zeugt nicht gerade von Bescheidenheit! Eigene Instrumente erschienen 1887 unter dem Label ´WASHBURN`, wurden in Serie gebaut und professionell vermarktet. Serien-Nummern, Stückzahlen und Baujahre sind allerdings nicht rekonstruierbar; das aktuelle Buch über WASHBURN ist zwar dekorativ aufgemacht, jedoch wenig informativ. Ich finde es merkwürdig, dass es im Vergleich zu den MARTIN-Gitarren relativ selten alte WASBURNs gibt: entweder sie waren weniger haltbar gebaut, oder/und die wahren Stückzahlen entsprechen nicht dem Werbe-Getöse!? – Meine Washburn New Model dürfte etwa 1890 gebaut worden sein (vgl. dazu die Abb. in Gruhn & Carter S. 34). Die Bauform ist der MARTIN 00 (´Grand Auditorium`, vgl. MARTIN 00-28) ähnlich, ebenso die Bauweise mit leichter X-Verbalkung (scalloped, d.h. zur Verbesserung der Resonanzfähigkeit geschnitzt) der Fichten-Decke. Boden und Zargen sind aus (sehr dekorativem) Rio-Palisander. Insgesamt ist diese Gitarre ausgesprochen sauber und gut verarbeitet (was gegen die These geringer Haltbarkeit spricht). Die Ausführung in Style 305 (die erste Ziffer gibt in dieser Epoche die Korpus-Größe, die letzte die Ausstattung an; später wird die Typisierung unübersichtlich) ist – verglichen mit dem schlichten MARTIN-Design – schon recht attraktiv mit bunten Holz-Mosaik-Einlagen und figuriertem Perlmutt-Schalloch-Zierring, eingefasstem Ebenholz-Griffbrett und Kopf mit Perlmutt-Einlagen. Bemerkenswert sind auch die wunderhübschen Mechaniken, deren Elfenbein-Knöpfe sogar Permutt-Intarsien haben! So stahl erst recht das Top-Modell Washburn 309 einer vergleichbaren MARTIN Style 42 glatt die Schau! Eine Besonderheit der frühen WASHBURN-Gitarren war die patentierte Brücke von George Durkee, die eine Kombination aus Knüpf- und Pin-Saiten-Befestigung vorsah und ziemlich aufwendig herzustellen war; ein praktischer Nutzen scheint allerdings nicht erkennbar. Deshalb sind die allermeisten Exemplare früher oder später auf die gängige Pin-Brücke (d.h. mit Stöpseln) umgebaut worden; so auch das meinige. Ursprünglich und zeit-typisch mit Darm- bzw. Nylon-Saiten bespannt, hält die Gitarre auch (extra-) leichte Stahl-Saiten aus und gefällt damit (ähnlich den zeitgleichen MARTINs) durch glockenhaft klaren, lieblichen Klang. Der insgesamt gute Zustand dieser Gitarre hat leider durch ein etwas verkorkstes Neck-Reset (Neu-Justierung des Hals-Winkels) gelitten; dafür ist die Spielbarkeit ordentlich. – Ich habe diese Washburn 1993 in Seattle bei Al`s Guitarville gefunden und bin gleich ihrem Charme erlegen. Die Macken hatte ich zunächst übersehen, wie es halt in der ersten Begeisterung so gehen kann... Trotzdem: eine sehr schöne und gute Gitarre!