WASHBURN(?) Hawaii-Gitarre(?) · ca. 1930 (?)

Die Überschrift sagt es schon: Bei dieser Gitarre gibt es viele Fragezeichen! Trotz einer Fabrikations-Nummer ist der Hersteller unklar; nirgendwo ist ein Namenszug oder Emblem zu finden. Die Bauweise deutet auf einen der Hersteller in Chicago hin (WASHBURN, REGAL, LARSON, o.a.). Für WASHBURN spricht die Ähnlichkeit mit der Abbildung in Gruhn & Carter S.35, für die LARSON Brothers die Ausführung der Brücke, die identisch ist mit der meiner PRAIRIE STATE. Doch solche Teile gab es auch von Zulieferern. Je nachdem könnte man dann auf ein anderes Produktionsjahr schließen (1915 oder 1930?). – Die aufwendige Verzierung dieser Gitarre ist in ihrer Art ungewöhnlich. Spontan hatte ich sie beim ersten Anblick als ´Perlmutt-Monster` tituliert, denn ich fand sie eher abschreckend als erstrebenswert. Doch ließ ich mich dann doch von ihr faszinieren: Das gesamt Griffbrett ist mit Perlmutt belegt, das seinerseits nochmals mit gravierten Abalone-Intarsien ´gekrönt` wird. Als "Schlagbrett" ist – ähnlich wie bei manchen Mandolinen – in die Decke ein Abalone-Schmetterling eingelegt, umgeben mit Rio, umrandet mit Perlmutt. Ebenso zeigt sich die Rand-Einlage der Fichten-Decke. Dagegen wirken die Bindings um den Boden aus Rio-Palisander (wie auch die Zargen) sehr schlicht - vorne hui, hinten... wäre vielleicht etwas überspitzt komentiert. Die Lackierung ist nicht poliert und qualitativ etwas mäßig. Die Korpus-Maße liegen etwa zwischen MARTINs -00 und –000 Format, der Hals-Ansatz ist am 12. Bund. Der Kopf ist - für die Zeit ungewöhnlich - im STAUFER-Stil gehalten. Die Gitarre mutet insgesamt etwas verrückt an. Die Spielbarkeit ist im Normalfall wegen des recht klobigen Halses und des breiten, flachen Griffbretts mit schmalen, scharfen Bünden wenig berauschend, und der Klang ebenso. Was also könnte das Geheimnis dieser widersprüchlichen Gitarre sein? Wurde sie nur als Eye-catcher gebaut? Nein, ich habe eine andre These: Ich denke, sie wurde als Hawaii-Gitarre gebaut! Dafür spricht die massive Decken-Verbalkung in H-Form, wie auch die stabile Auslegung des Halses für hohe Saitenspannung, wenn die Saitenlage für das Bottleneck-Spiel erhöht wird. Das habe ich gemacht. Als ich die Gitarre dann mit Bottleneck und Fingerpicks ordentlich forderte, entdeckte ich auch ihre klangliche Qualitäten: kernig und stark! Und plötzlich passt auch das Griffbrett, und sogar die kitschige Optik. – Diese Gitarre weist so gut wie keine Spiel-Spuren auf; als einzige Reparatur ist ein reparierter Haarriss in der Decke erkennbar. - Also, trotz aller anfänglichen Skepsis: die Gitarre hat was! Passt gut in Fantasien von Palmen, Sandstrand, Meer, und Hawaii-Musik...