GIBSON L-2
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1932
Die L-2 stellte ab 1929 das Spitzenmodell von GIBSONs L-Serie dar, wurde nur in geringer Stückzahl (wenige Hundert, nix Genaues weiß man nicht!) gebaut und schon 1934 wieder aus dem Programm genommen. Dementsprechend rar sind diese guten Stücke heutzutage, von Sammlern gern gesucht und schwer zu finden. Bei meiner USA-Reise im Jahr 2000 war ich einer auf der Spur, doch jemand war schneller. Vor ein paar Jahren tauchte dann eine in Tübingen auf, und da war ich der Schnellste! Damit schien dieses Kapitel für mich abgehakt.
Doch so wenig L-2 Gitarren es auch gibt, so unterschiedlich sind sie. Ständig variierte die Bauweise, die Ausführung, die Holzauswahl; die zeitgenössischen Kataloge und Aufzeichnungen bilden das nur sehr fragmentarisch ab. In der frühen GIBSON-Geschichte ist das zwar keine Seltenheit, doch bei diesem Typ ziemlich extrem: Bei der Einführung 1929 war der Korpus aus Rio-Palisander, der Halsübergang am 13. Bund, das Griffbrett aus Ebenholz, es gab kein Schlagbrett, die Lackierung war naturfarben, und die Saitenbefestigung unterständig mit einem tailpiece, d.h. einem am Endklotz befestigten Saitenhalter, wie bei den Archtops.. 1931 war der Korpus dann aus Mahagoni, der Halsübergang am 12. Bund, das Griffbrett aus Palisander, die Lackierung sunburst (ganz besonders: argentinian grey!), die Saitenbefestigung mit der üblichen Pin-Brücke, und total abgefahren: Gold-Glitter als Rand- und Schalloch-Einlage! Im Grunde eine völlig andere Gitarre! (So eine >>L-2/1931 habe ich schon, wie beschrieben.) – 1932 dann wieder eine Kehrtwendung: Korpus aus Palisander, Halsansatz am 13. Bund, Saitenbefestigung so oder so, und ganz neu: ein Schlagbrett, frei schwebend angeschraubt wie bei den Archtops. Im Jahr darauf schließlich kamen der Halsübergang am 14. Bund und ein aufgeklebtes Schlagbrett… Soweit nur die auffälligsten Änderungen!
Etwas ganz besonderes blieb die Verwendung von südamerikanischem (Rio-)Palisander bei GIBSON: Zunächst nur der L-2, dann einem kleinen Teil der Nick-Lucas-Special, schließlich der Advanced Jumbo (1934-36), den wenigen Vor-Kriegs SJ-200 und den ersten Southern-Jumbos 1942 blieb dieses exclusive Edelholz vorbehalten! (Ganz anders als bei C.F.Martin, wo es bei allen höherwertigen Modellen verbaut wurde) Dementsprechend teuer sind diese seltenen GIBSON-Exemplare geworden, weil Sammler halt immer das Besondere suchen. – Und so eine hatte ich noch nicht!!! Deshalb war dieses Kapitel nie wirklich endgültig abgehakt; allerdings wuchs in anbetracht der galoppierenden Preise die Einsicht, dass nicht alles Wünschenswerte Wirklichkeit werden muss.
Als 2007 eine Palisander-L-2 von 1932 im Tübinger Angebot erschien, interessierte mich die natürlich schon, doch bei meiner ersten Inspektion fiel sie trotz des relativ günstigen Preises gleich durch: die Decke stark eingefallen und offenbar strukturell geschwächt, umgebaut von unterständiger Saitenbefestigung auf eine Pin-Bridge (immerhin eine übliche und sinnvolle Modifikation, denn die ursprüngliche Saitenführung hat sich als Fehlkonstruktion erwiesen, weil sie die dafür zu schwach verbalkte Decke zum Einsinken bringt), außerdem mit vielen reparierten Rissen, am gravierendsten aber: neu lackiert und mit dumpfem Klang genügte sie nicht meinen Ansprüchen; sie kam mir vor wie eine schöne Leiche, klinisch tot! – Leider oder zum Glück eine glatte Fehleinschätzung, denn Meister Willi konnte sie wider Erwarten reanimieren (er schien selbst überrascht) und stabilisieren: Die Gitarre ist jetzt wieder im Lot, die Neulackierung erwies sich „nur“ als Überlackierung, d.h. das Holz war nicht abgeschliffen und damit geschwächt worden, das angeschraubte Original-Schlagbrett verbessert die Optik, und vor allem: sie klingt jetzt wirklich sehr gut! – Das zu einem Viertel des Marktpreises für gute Exemplare, da ließ ich den alten Wunsch doch noch Wirklichkeit werden und bin jetzt glücklich mit dieser Palisander L-2, auch wenn sie durchaus nicht im Originalzustand glänzt!