C.F. MARTIN & Co. OM-18 · 1930

Entsprechend dem Zeitgeist der 20-ger Jahre wuchs der Erwartungsdruck auf Martin, die konservative Modell-Politik zu erweitern. Gitarren mit Stahlsaiten kamen in Mode, viele Banjo-Spieler wechselten zur Gitarre und wünschten einen längeren Hals, um wie gewohnt auch in höheren Lagen leicht spielen zu können. Und die Konkurrenz schlief nicht: Die Larson-Brothers waren mit ihren patentierten Verbesserungen vorne dabei (vgl. Prairie-State Style 450), und Gibson hatte schon jahrelang Archtops mit Stahlsaiten im Programm, ab 1926 auch Stahlsaiten-Flattops, z.B. die Gibson Nick-Lucas-Special. Der Halsansatz blieb dort allerdings noch beim 12. Bund. Bei C.F.Martin & Co. kam dann auf Betreiben eines gewissen Mr. Perry Bechtel, einem renomierten Banjo-Spieler aus Atlanta, die 000-Baureihe zur entscheidenden Weiterentwicklung, indem der Hals-Ansatz vom 12. Bund (vgl. 000-18) zum 14. Bund verschoben wurde. Dadurch veränderten sich Statik, Korpusform, Spielbarkeit und natürlich auch der Klang, und die durchbrochene ´klassische` Kopfform wich der moderneren durchgehenden (solid peghead) mit von hinten montierten Stimm-Mechaniken (optisch ähnlich der antiken Bauweise mit Friktions-Wirbeln, vgl. MARTIN 0-26). Man fand für diese neue Baureihe keine Modellbezeichnung, welche in die traditionelle Typen-Hierarchie passte, und deklarierte sie schließlich als ´Orchestra-Modell`, abgekürzt OM. 1929 wurde die Martin OM-28 vorgestellt. Im Katalog von 1930 heißt es dazu: "Designed especially for plectrum playing in orchestra work. Made only for steel strings, in Auditorium size." Sie war die erste speziell für Stahlsaiten konstruierte, und damit die erste ´moderne` Martin. Und sie setzte Maßstäbe. Bald wurde die ganze Modell-Palette dementsprechend modifiziert, vgl. 0-17 und 00-18 . Als Zugeständnis an die Umsteiger vom Banjo wurden bei der OM anfänglich noch Banjo-Mechaniken verbaut, die sich jedoch wegen des geringeren Übersetzungverhältnisses und des höheren Saitenzugs der Gitarren-Bass-Saiten auf Dauer wenig bewährten und oft nachträglich ausgetauscht worden sind. Die bereits genannte Zielgruppe der Banjo-Spieler wurde übrigens zusätzlich mit Spezial-Modellen umworben, z.B. Martin 1-17 P, einer Kombination von Gitarren-Korpus und Banjo-Hals. – Die OM-18 kam 1930 auf den Markt, und bis 1933 wurden davon nur 765 Exemplare gebaut (vom Palisander-Modell OM-28 487 Stück). Beide erhielten ab 1931 normale Gitarren-Mechaniken. Ab 1934 lief die OM-Baureihe aus und ging mit einigen Modifikationen in die neue 000-Baureihe über (vgl. 000-28). Damit kehrte Martin zu den alten Typen-Bezeichnungen zurück, als sei nichts gewesen; seither lassen sich 12-Bund-Modelle an der Typ-Bezeichnung nicht von den 14-Bund-Modellen unterscheiden. – Meine OM-18 habe ich bei ´Elderly-Instruments` über das Internet gekauft (was wegen vieler Unwägbarkeiten immer mit beträchtlichem Risiko verbunden ist: kommt das Instrument so an, wie man sich das erhofft hat aus den übermittelten Daten? Freilich bleiben lange nicht so viele Unwägbarkeiten wie bei nur telefonischem Informationsaustausch!). Das Wagnis hat sich hier ohne Wenn und Aber gelohnt! Diese OM-18 ist in ausgezeichnetem Original-Zustand mit moderaten Spielspuren und völlig rissfrei. Brücke und Griffbrett waren offenbar abgespielt und sind meisterlich gut erneuert worden (die Rechnung liegt vor). Der Klang ist wunderbar holzig, ausgewogen und brillant bis in die hohen Lagen. Die Gitarre stammt aus dem ersten Baujahr und hat dementsprechend noch ein kleines Schlagbrett (das mir persönlich besser gefällt als die späteren vergößerten, auch wenn diese funktional augenscheinlich besser sind) und die originalen, funktionsfähigen Banjo-Tuner (neue Reproduktionen wurden mitgeliefert). Dem Baujahr entsprechend trägt der Kopf noch kein C.F.MARTIN & Co.–Logo (das wurde 1932 eingeführt), und das Griffbrett ist mit Bar-Frets bestückt, die zwar nicht ganz so komfortabel zu spielen sind wie moderne T-Bünde, aber durch die schmalere Auflage der Saiten eine sehr exakte Intonation bieten. Außerdem stabilisiert diese Bauweise den mit Ebenholz verstärkten Hals; ab 1934 kam mit der Umstellung auf T-Bünde stattdessen ein Stahlstab zum Einsatz. – Fazit: ein wunderbares Exemplar einer wegweisenden Gitarre, der Urform der modernen Steelstring-Flattops! Eigentlich fürs Plektrum-Spiel konzipiert, ist sie heute der Traum vieler Fingerpicker.