C.F. MARTIN & Co. 00-28 · 1930

Nachdem aus meinem Wunschtraum Martin 00-45 zunächst nur eine 0-42, schließlich immerhin eine 0-45 geworden war (vgl."Wie es dazu kam..."), blieb ich weiter auf der Suche nach einer Palisander-00 , d.h. ab Style 21 aufwärts. Es sollte eine aus der Interim-Periode sein zwischen 1926 und ca. 1931 (als Martin seine Gitarren zunächst optional, dann zunehmend für Stahlsaiten ausgelegte). Dann wurde die Modell-Palette vom traditionellen 12-Bund-Hals auf den modernen Halsansatz am 14. Bund umgestellt. Die aus der 000 (000-18) entwickelte OM (OM-18) war dafür der Vorreiter gewesen. Einzig die 0- und 00-21 blieben dann noch als 12-Bund-Modelle weiter im Programm. – Die modernen 14-Bund-Gitarren boten als großen Vorteil eine wesentlich leichtere Bespielbarkeit in den höheren Lagen. Konstruktionsbedingt hatte sich allerdings auch der Klangcharakter verändert, weil zum einen das Korpusvolumen etwas kleiner ausfiel, und zum andern die Brücke nicht mehr im Mittelpunkt des Gitarrenbauches, sondern in Richtung Schalloch verschoben lag. Zumindest theoretisch ist das ein Nachteil, weil in der Mitte das Schwingungsvermögen der Decke am besten ist. Im Hörerleben bleibt das Geschmacksache: die 12-Bund Modelle klingen offener, die vergeichbaren 14-Bund Gitarren strammer, naheliegenderweise "moderner"(vgl. 00-18 von 1937)! Unter Sammlern sind die Instrumente aus der beschriebenen Interim-Periode jedenfalls sehr geschätzt, und sie finden immer mehr Liebhaber. – Meine 00-28 wurde Ende 1930 gebaut und zeigt traditionelle wie auch moderne Merkmale: Die 00-Baureihe war bereits in den 1870-ger Jahren vorgestellt worden, und Style 28 sogar noch früher. Der Fensterkopf (slotted peghead) war schon früh eines der Markenzeichen von C.F.MARTIN gewesen; er trägt dem Baujahr entsprechend noch kein Firmen-Logo (das kam erst 1932), allerdings nicht mehr die traditionellen Band-Mechaniken, sondern hochwertige Einzel-Tuners von Grover. Deren Achse ist tailliert und dadurch das Übersetzungsverhältnis erhöht, wodurch die Feinstimmbarkeit gewinnt. Der Hals ist – modern – aus Mahagoni, das Griffbrett hat traditionelle Barfrets, an denen C.F.MARTIN länger als die meisten anderen Hersteller festhielt, nämlich bis 1934. Im Halsblock innen ist über der Seriennummer die Modell-Bezeichnung eingestanzt (ab 1930). Die auffälligste Neuerung betrifft jedoch die Brücke: statt des traditionellen (handgefertigten) Pyramiden-Stegs findet sich hier die (maschinengefertigte) sog. Belly-Bridge, die dank größerer Auflage- bzw. Leim-Fläche einerseits mehr Stabilität bot (wichtig wegen des erhöhten Zugs der Stahlsaiten), andererseits Raum für eine kompensierte, d.h. leicht diagonal eingefräste Stegeinlage bietet (das kommt der Bundreinheit zugute; wie sehr das Problem mangelnder Bundreinheit die Gitarrenbauer-Zunft beschäftigt hat, dafür mag die Gitarre von KOCHENDORFER/Patent PARET ein - bizarres - Beispiel geben!). Außerdem trägt diese Gitarre ein Schlagbrett zum Schutz der Decke bei Plektrumspiel; das war bei den 12-Bund-Modellen ab 1930 als Option lieferbar, bei den 14-Bund Modellen serienmäßig. – Allerdings ist das Schlagbrett hier nicht original: nachdem sich offenbar in frühen Jahren heftige Spielspuren in der Decke eingegraben hatten, war nachträglich ein nicht gerade gut gelungenes Schlagbrett aufgeklebt worden; Willi Henkes hat das verunglückte Exemplar in meinem Auftrag durch ein sehr originalgetreues ersetzt. – Einen (immerhin sehr gut) reparierten Schaden in der oberen Zarge hatte mir der Verkäufer (Leo Coulson) übrigens verschwiegen; nicht gerade die feine Art! – Trotzdem: dies ist eine ganz wunderbare Gitarre, mit fantastischem Klang und sehr angenehmem Handling; die kann süchtig machen!