C.F. MARTIN 0-26
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ca. 1855
Ab 1833 baute Christian Frederik Martin nach seiner Auswanderung in die USA zunächst in New York Instrumente, dann in Nazareth PA. Die hohe Schule des Instrumentenbaus hatte er sich zuletzt bei Meister Johann Georg STAUFER in Wien angeeignet, wo er zuletzt Vorarbeiter gewesen war. Staufers Baustil prägte während der ersten Jahre noch die Gitarren von C.F.MARTIN in New York, doch bald entwickelte er eigene Ideen und Baustile, die den damaligen Bedürfnissen der U.S.Amerikaner (d.h. vor allem Auswanderer und Siedler) entgegen kamen: solide und preiswert, also handwerklich gut gebaut mit schnörkellosem Design und guten Klangeigenschaften. Dafür verwendete er wegweisende Weiter-Entwicklungen: Eine der wichtigsten war die Deckenverbalkung in X-Form (die allerdings nicht mit Sicherheit seine eigene Erfindung war; sie läßt sich auch bei zeitgenössischen Gitarrenbauern nachweisen, z.B. Schmidt & Maul), die etwa 1850 bei den höherwertigen Modellen eingeführt wurde und bei verbesserten statischen Eigenschaften ein ausgezeichnetes Resonanz-Verhalten ermöglichte. Richtig zum Tragen kamen die Vorteile dieser Bauweise erst viel später mit dem Einsatz von Stahlsaiten ab 1926. Dieses fortschrittliche Detail weist meine alte 0-26 bereits auf; der Boden trägt allerdings nur vier Balken, was bei Martin nur bis Mitte des 19. Jh. üblich war (Während der 2. Hälfte des 19. Jh. wurden fünf Bodenbalken verbaut, später dann wieder vier). Nachdem die 0-Baureihe erst ab 1854 als größtes Modell des Programmsn eingeführt worden war, ist das vorliegende Instrument auf ca. 1855 zu taxieren. Im Katalog von 1898 ist Size 0 so deklariert: "No. 0 for concert playing and club use... is the most favorite one, combining with great brilliancy a clearness even to the last note which is the wonder and delight of all." Die Spezifikation der verschiedenen Ausführungen/Stile war zu dieser Zeit noch im Fluß: Style –26 stellt eine Frühform des –28 dar und weist schon viele von dessen Charakteristika auf. Der Korpus ist (wie bei allen Martins dieser periode) aus Rio-Palisander und Adirondack-Fichte gebaut, der Hals aus Cedro, Pyramiden-Steg und Griffbrett aus Ebenholz. Der Kopf ist im traditionellen Stil gehalten mit Elfenbein-Friktions-Wirbeln. Dies wurde noch lange alternativ zum "moderneren" durchbrochenen Kopf mit seitlichen Bandmechaniken angeboten; der Vorteil liegt im einfacheren Saitenwechsel, der Nachteil im schwierigeren Feinstimmen. Optisch nimmt diese massive Kopfplatte das Design der modernen Western-Gitarren vorweg, vgl. C.F.Martin OM-18. – Ich bekam diese 0-26 (wie manche andere) über Blazer & Henkes, die sie aus einem Bühnenfund irgendwo in einer vermutlich sehr trockenen Region der USA ergattert hatten: einige Trockenrisse waren zu richten und ein paar abgesprungene Teilchen zu ersetzen, doch es ist gelungen, das schöne Original-Finish zu erhalten. Die Gitarre klingt nylon-besaitet (original: Darm) sehr voluminös und schön, nur in den obersten Lagen geht ihr etwas die Brillanz verloren. Der Hals weist bereits das angedeutete V-Profil sowie das leicht abgerundete Griffbrett auf, wie wir es von Instrumenten der "golden ear" kennen. Das ist somit schon eine typische MARTIN-Gitarre, die viele Details der berühmten späteren Steelstrings worweist. Historisch ist sie auch deshalb interessant, weil zu dieser Zeit in Spanien von A. Torres die noch heute geltende Form der Klassischen Gitarre (vgl. A. Gonzales) entwickelt worden ist. Diese historische Martin-Gitarre diente übrigens als Vorlage für eine Diplomarbeit an der Hochschule für Musikinstrumentenbau in Markneukirchen von J.F.Hilpert, 2001. (Vgl. Artikel "Sammlerstück" in ´Akustik-Gitarre` 1/2000)